Roboter und der Zauber künstlicher Frauen von der Antike bis heute

Da der heutige Beitrag etwas länger ausgefallen ist, habe ich ihn in fünf Bereiche unterteilt:

  1. Roboter, Androiden und Cyborgs
  2. Der Zauber künstlicher „Frauen“
  3. Künstliches „Leben“ in der antiken Überlieferung
  4. Statuen von überirdischer Schönheit
  5. Zusammenfassende Gedanken

1. Roboter, Androiden und Cyborgs

Roboter, Androiden und Cyborgs sind aus der Science Fiction nicht wegzudenken und erfreuen sich beim Publikum oft einer großen Beliebtheit, wie wohl am besten R2-D2 und C-3P0 aus Star Wars belegen. Zu den klassischen Robotern zählen etwa Robby aus „Forbidden Planet“ (Alarm im Weltall, 1956) oder Nummer 5 aus „Short Circuit 1 & 2“ (Nummer 5 lebt bzw. Nummer 5 gibt nicht auf, 1986 u. 1988). Viele von uns dürften außerdem mit Robbi aus der Augsburger Puppenkiste-Version von Boy Lornsens Kinderbuch „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“ (1967) aufgewachsen sein. Unvergessen bleibt natürlich auch Marvin, der depressive Roboter aus Douglas Adams‘ „Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“.

In Bezug auf Androiden ( = menschenähnliche Roboter) sind Data aus Star Trek und Isaac Asimovs R. Daneel Olivaw als sehr populäre Vertreter zu nennen. Ein frühes Beispiel der Filmgeschichte wäre die Maschinen-Maria aus Fritz Langs „Metropolis“ von 1927. Jeder der vier Alien-Teile verfügt über Androiden in männlicher oder weiblicher Form und auch wenn die Alien-Prequels „Prometheus“ (2012) und „Alien: Convenant“ (2017) leider eher enttäuschten, zählt der von Michael Fassbender gespielte Android David sicherlich zu den Highlights der beiden Filme. Mit David wären wir dann auch schon bei den Androiden als Bösewichten angekommen, zu deren berühmtesten Vertretern wohl der T-800 und der T-1000 aus der Terminator-Reihe (1984ff.) oder die Zylonen aus den beiden Kampfstern Galactica-Serien (1978-1980 bzw. 2004-2009) zählen. Oft steht bei den Androiden die Frage nach ihrer Menschlichkeit im Vordergrund, was häufiger in Star Trek in Bezug auf Data und grundlegender noch in „A.I. – Artificial Intelligence“ (2001) sowie in Philip K. Dicks Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep?“  bzw. der zugehörigen Verfilmungen „Blade Runner“ (1982) und „Blade Runner 2049“ (2017) thematisiert wird. Als prominentestes Beispiel der letzten Jahre ist diesbezüglich wohl Ava (Alicia Vikander) aus „Ex Machina“ (2015) zu nennen. Eine ähnliche Richtung schlagen auch die schwedische Serie „Äkta människor“ (Echte Menschen) bzw. ihr Remake „Humans“ ein.

Was Cyborgs angeht, also Mischwesen, die teils aus einem lebenden Organismus und teils aus Maschinen bestehen, sei an die Borg aus Star Trek, an die Robocop-Reihe (1987ff.) sowie an den Sechs-Millionen-Dollar-Mann (1974-1978) mit Lee Majors und die Sieben-Millionen-Dollar-Frau (1976-1978) mit Lindsay Wagner erinnert.

Bladerunner + Alarm im Weltraum

Photo: Michael Kleu

2. Der Zauber künstlicher „Frauen“

Bereits 1816 begegnen wir in der Erstveröffentlichung von E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ einer „Frau“ namens Olimpia, bei der es sich in Wahrheit um eine hölzerne Maschine handelt. Da der Protagonist Nathanael dieser Olimpia verfällt und darüber im buchstäblichen Sinne wahnsinnig wird, haben wir hier auch gleich ein erstes Beispiel für das populäre Motiv vorliegen, dass künstliche „Frauen“ bei Männern große Begierde auslösen können.[1] Ein Paradebeispiel hierfür ist sicherlich die von Tricia Helfer verkörperte Zylonin „Nummer 6“ aus Battlestar Galactica (2004-2009), die derart stark auf die Rolle der ebenso erotischen wie gefährlichen Verführerin ausgelegt war, dass es nicht überrascht, dass wenig später der US-amerikanische Playboy (02/2007) auf die Schauspielerin aufmerksam wurde und sie in der Science Fiction-Mini-Serie „Ascension“ (2014) erneut eine sehr sexuell ausgerichtete Rolle übernahm. In „Blade Runner“ (1982) spielt Daryl Hannah die Replikantin Pris, bei der es sich um ein sogenanntes „basic pleasure model“ handelt, das gezielt zur Erfüllung (männlicher) sexueller Wunschvorstellungen geschaffen wurde. Im mehrfach verfilmten Roman „The Stepford Wives“ (1972) zieht die Protagonistin in den Ort Stepford, in dem Männer mit auffällig unterwürfigen Frauen leben, die sich später als von ihnen geschaffene Roboter herausstellen. Etwas familienfreundlicher wird es, wenn Kelly LeBrock 1985 in der Fantasykomödie „L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn“ (Weird Science) als am Computer erschaffene Traumfrau zwei schüchternen Teenagern zu ihren ersten Freundinnen verhilft.[2]

Doch stehen in anderen Fällen eher Gefühle als reine sexuelle Anziehung im Vordergrund. So verliebt sich Harrison Ford in „Blade Runner“ (1982) als Rick Deckard in die Replikantin Rachael (Sean Young), während sich in „Ex Machina“ (2015) der Programmierer Caleb zu der mit einem weiblichen Körper versehenen künstlichen Intelligenz Ava hingezogen fühlt. Ähnlich ergeht es Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) in „Her“ (2013), wobei die von Scarlett Johansson gesprochene Künstliche Intelligenz (KI) Samantha, mit der Theodore eine Beziehung eingeht, bemerkenswerterweise körperlos bleibt. In Isaac Asimovs „Foundation“-Zyklus verliebt sich der Protagonist Harry Seldon in die Historikerin Dors Venabili, die sich später als Androidin entpuppt, was jedoch ohne Auswirkungen auf Seldons Gefühle ihr gegenüber bleibt. (Dors Venabili empfindet sich selbst übrigens als nicht sehr attraktiv. Ich kann mich nicht erinnern, wie Harry das sieht.)

Kleiner Exkurs: Was künstliche „Männer“ angeht, fallen mir nur die Beziehung zwischen Data und Tasha Yar (Star Trek TNG) sowie die „Black Mirror“-Folge „Be Right Back“ ein, in der eine Künstliche Intelligenz den verstorbenen Mann der Protagonistin nachahmt. Richtig wüst geht es hingegen in Paul Gillons Graphic Novel „Die Überlebende“ (1985-1991) zu, in der eine Frau die scheinbar einzige Überlebende einer weltweiten Katastrophe ist und u.a. heftige sexuelle Kontakte zu einem Roboter namens Ulysses (also Odysseus) pflegt.

Ilias.jpg

Photo: Michael Kleu

3. Künstliches „Leben“ in der antiken Überlieferung

Die ältesten Belege für künstliches „Leben“ stammen – zumindest auf die griechisch-römische Antike bezogen – bereits aus der „Ilias“, die vermutlich in die zweite Hälfte des 8. Jh. v.Chr. einzuordnen ist. Denn hier (18,372-379) heißt es über Hephaistos, den griechischen Gott des Feuers und der (Kunst-)Schmiede:

„Eifrig am Werk, denn Dreifüße schuf er, zwanzig im Ganzen, rings um die Wand sie zu stellen im wohlerbauten Gemache. Goldene Räder befestigte jedem er unten am Boden, daß sie von selbst liefen hinein in der Götter Versammlung, um dann wieder nach Haus zu kehren, ein Wunder zu schauen. Diese waren so weit vollendet, und nur noch die Ohren fehlten, die kunstvollen; diese bereitend schlug er die Bänder.“ (Übersetzung: Hampe)

Hephaistos hat an dieser Stelle also nichts Geringeres getan, als Dreifüße zu kreieren, die sich eigenständig bewegen können, wobei der Dichter der Ilias[3] hierfür das Adjektiv „automatos“ verwendet, wovon sich unsere Begriffe „automatisch“ und „Automat“ ableiten. Nur wenig später wird Hephaistos in der Ilias auch als Schöpfer künstlicher Frauen präsentiert (18,416-):

Humpelnd ging er zur Türe hinaus, und goldene Mägde stützten den Herrn von unten; sie glichen lebendigen Mädchen. Denn sie haben Verstand im Inneren und haben auch Stimme und auch Kraft und lernten von ewigen Göttern die Werke. Und sie keuchten als Stütze des Herrn, der humpelte aber hin, wo Thetis war […].“ (Übersetzung: Hampe)

Diese Stelle erscheint vielleicht noch bemerkenswerter als die vorherige, da die nun beschriebenen Geschöpfe wie Mädchen aussehen, über (künstliche) Intelligenz verfügen, sprechen können und von den Göttern gewisse Fertigkeiten erlernt haben. Erstaunlich ist auch, dass die Mädchen keuchen müssen, als sie den hinkenden Gott stützten, also wie Menschen Mühe empfinden können.

Aus der Mythologie kennen wir außerdem Talos, einen gewaltigen „Mann“ aus Bronze, der je nach Überlieferung ebenfalls von Hephaistos geschaffen wurde oder aber von einem „ehernen“ Geschlecht abstammte. Seine Aufgabe war es jedenfalls, dreimal täglich um Kreta herumzuziehen und die Insel vor Eindringlingen wie den Argonauten zu schützen. Außerdem soll Hephaistos noch für vielerlei weitere künstliche Wesen (Pferde, Adler, Hunde und Bullen) verantwortlich sein, die an dieser Stelle keine Berücksichtigung finden können, hier aber vollständig aufgelistet werden.[4]

Etwas spannender ist vielleicht sogar, dass solche Automata keineswegs nur in der Dichtung und im Mythos Erwähnung finden. So soll der pythagoräische Philosoph Archytas aus Tarent, der um das Jahr 400 v.Chr. lebte, eine hölzerne Taube entwickelt haben, die aufgrund einer innerhalb des Modells versteckten Vorrichtung, die an eine Art pneumatischen Antrieb erinnert, fliegen konnte, wie Aulus Gellius (10,12,8-10) überliefert. Und Polybios (12,13,12) berichtet davon, dass Demetrios von Phaleron 308 v.Chr. einer Prozession eine große künstliche Schnecke vorangeschickt habe, die sich aufgrund eines inneren Mechanismus von selbst bewegt und dabei sogar eine Schleimspur hinterlassen haben soll. Richtig spektakulär wird es dann bei der berühmten Prozession (um 270 v.Chr.) des Ptolemaios II. Philadelphos, der von 285-246 v.Chr. König des hellenistischen Ägyptens war. Denn in der pompösen Prozession wurde u.a. auch eine Statue der Nysa, der Amme des Gottes Dionysos, zur Schau gestellt. Die reich geschmückte Statue befand sich in sitzender Position auf einem Wagen, der von 60 Männern gezogen wurde. Mit Hilfe eines Mechanismus konnte sich die Statue erheben, um Milch aus einem goldenen Gefäß zu spenden und sich dann wieder hinsetzen (Athen. 5,198f.). Man könnte jetzt noch weitere Beispiele für antike Maschinen wie den beeindruckenden Mechanismus von Antikythera aufführen, doch möchte ich mich hier auf Maschinen konzentrieren, die im weitesten Sinne „Robotern“ entsprechen. Eine Auflistung anderer Maschinen findet sich u.a. in der Wikipedia, in der auch ein künstlicher Mann aus dem chinesischen Kulturkreis Erwähnung findet.

Statue

Photo: petivi (Vielen Dank!)

4. Statuen von überirdischer Schönheit

Kommen wir zurück zu künstlichen „Frauen“. Wie wir anhand meiner obigen Aufzählung gesehen haben, hat die Phantastik offensichtlich großen Gefallen daran, „weibliche“ Roboter und Künstliche Intelligenzen zum Zentrum männlicher Begierde oder sogar Liebe zu machen. Etwas Ähnliches habe ich in den antiken Quellen zwar nicht in Bezug auf Maschinen in Frauengestalt finden können, doch gibt es zwei bemerkenswerte Geschichten, die sich um weibliche Körper repräsentierende Statuen drehen.

Beginnen wir mit dem Bildhauer Pygmalion, der laut Ovid (Metamorphosen 10,243-297) auf Zypern lebte und sein Leben lang Junggeselle geblieben war, da ihm Frauen zu verdorben erschienen. Eines Tages hatte er aus Elfenbein die Statue einer Frau geschaffen, die so unglaublich schön und realistisch aussah, dass sich der Künstler in sein Werk verliebte und kaum noch glauben konnte, dass die Frau nicht echt war. So liebkoste er sie, sprach mit ihr, machte ihr Geschenke und legte sie sogar in sein Bett. Zum Fest der Aphrodite bat Pygmalion die Göttin um Hilfe, woraufhin sich Aphrodite seiner erbarmte und die Statue lebendig werden ließ, sodass der Bildhauer und seine nun lebendige Frau bereits neun Monate später Eltern einer Tochter wurden.

Ganz anders endete die Geschichte eines weiteren Mannes. Denn der Bildhauer Praxiteles (etwa 390 bis 320 v.Chr.) hatte für den Aphrodite-Tempel in Knidos eine Statue der Liebesgöttin geschaffen, die zu den Meisterwerken dieses bedeutenden Künstlers gezählt haben soll. Die Marmorstatue stellte die Göttin nackt und in sitzender oder gebeugter Position dar, wobei sie mit einer Hand ihren Schambereich bedeckte. Laut einer Geschichte, die mit den Schriften des Lukian überliefert wurde, aber wohl nicht von diesem Autoren stammt (Ps.-Lukian, Amores 13-17), zeigte sich der Besucher Charikles so begeistert von der Darstellung, dass er die Statue mit Küssen überhäufte und sie dann mit Tränen in den Augen wie versteinert ansah. Selbst der Athener Kallikratidas, der den Tempel gemeinsam mit Charikles besuchte und den eher junge Männer ansprachen, zeigte sich von der Kehrseite der Dame entzückt. Schließlich entdeckten die Männer eine Stelle am Schenkel der Statue, der sie an einen Fleck auf einem Kleid erinnerte, woraufhin ihnen eine Tempeldienerin den Ursprung dieser Stelle erklärte. So habe es einst einen jungen Mann aus angesehener Familie gegeben, der derart in Liebe zum Abbild der Göttin verfallen sei, dass er den ganzen Tag im Tempel verbracht und auf die Statue gestarrt habe, wobei er sich scheinbar mit dem Kunstwerk zu unterhalten glaubte. Abgesehen von einigen weiteren Dingen habe sich der junge Mann eines Tages im Tempel versteckt, um eine Nacht mit der Göttin verbringen zu können. Was in dieser Nacht genau geschah, wird nicht erläutert, doch sei die besondere Stelle am Schenkel aus dieser Nacht hervorgegangen. (Scheinbar wurde die Statue „befleckt“.) Der unglückliche junge Mann habe sich jedenfalls aufgrund der unerfüllten Liebe ins Meer gestürzt, was Charikles zu den folgenden Worten bewogen haben soll: „Selbst wenn sie aus Stein geschaffen sind, können Frauen also Liebe entbrennen lassen. Was wäre aber geschehen, wenn wir eine solche Schönheit lebendig und atmend erblickt hätten? Wäre eine einzige Nacht mit ihr nicht ebenso viel wert wie das Szepter des Zeus?“ (Übersetzung Kleu)

356px-Cnidus_Aphrodite_Altemps_Inv8619_n3Römische Kopie der Aphrodite von Knidos. Im Original sind nur der Torso und die Oberschenkel erhalten, während Kopf, Arme, Beine und das stützende Gewand ergänzt wurden Photo: © Marie-Lan Nguyen / Wikimedia Commons / CC-BY 2.5

In der ersten Geschichte wendet sich Pygmalion also von den Frauen ab, da diese ihm zu verdorben erscheinen. So schafft er sich eben – wenn auch völlig unbewusst – eine optisch perfekte Frau, deren Sittsamkeit den Ansprüchen des Bildhauers zu entsprechen scheint. Jedenfalls erzählt Ovid von den schüchternen Reaktionen der Frau in der ersten (richtigen) Liebesnacht. Auf den ersten Blick geht dies ein bisschen in Richtung von „The Stepford Wives“, wo sich eine Gruppe von Männern „weibliche“ Androiden zu Frauen nehmen, die sie nach ihren Vorstellungen geschaffen haben. (Auch Olimpia aus „Der Sandmann“ entspricht in mancherlei Hinsicht einer solchen Stepford-Frau, was übrigens auch ein bisschen an einen Brief (ep. 4,19) erinnert, in dem Plinius lobend seine Frau beschreibt.) Wichtig ist aber, dass Pygmalion Frauen eigentlich aus dem Weg gehen möchte und sich deshalb auf seine Arbeit konzentriert, wodurch er eben vollkommen unbeabsichtigt zu seiner Traumfrau kommt, die dann von Aphrodite zum Leben erweckt wird, da der Bildhauer eben echte Gefühle für sein Kunstwerk entwickelt hat, sodass man ihm keinerlei negative Intention nachsagen kann. Wenn man also nach einer Moral in der Geschichte suchen möchte, könnte man vielleicht sagen: „Der Liebe kann man nicht entrinnen“ (oder so ähnlich). Nichtsdestotrotz haben wir hier eine Geschichte vorliegen, die sich völlig um den Mann dreht und bei der der Frau eher ein Objektcharakter zukommt.

Die unbekleidete Aphrodite von Knidos hingegen ist auf den ersten Blick ein Objekt, das den begehrenden Blicken der Männer ausgeliefert ist. Tatsächlich geht aber aus der Beschreibung Ovids deutlich hervor, dass die Statue die sie betrachtenden Männer aktiv in ihren Bann zieht, wodurch sie letztlich vom Objekt zu einem Subjekt wird, das eine gewisse Gewalt über ihre Betrachter ausübt und diese im Radikalfall in den Wahnsinn treiben kann.[5] Natürlich dürfte dies damit zusammenhängen, dass die Statue ein Ebenbild der Göttin Aphrodite ist, in deren Tempel sie sich ja auch befindet.

Cnidus_Aphrodite_Altemps_Inv8619

Römische Kopie der Aphrodite von Knidos. Im Original sind nur der Torso und die Oberschenkel erhalten, während Kopf, Arme, Beine und das stützende Gewand ergänzt wurden Photo: © Marie-Lan Nguyen / Wikimedia Commons / CC-BY 2.5

5. Zusammenfassende Gedanken

In der Ilias und in der Mythologie kommen den künstlichen Wesen jeweils konkrete Aufgaben zu, auch wenn bei den Dreifüßen offenbleiben muss, für was genau sie nützlich sind. Auf die historische Zeit bezogen hatten die aufgezählten Maschinen (Taube, Schnecke, Nysa) hingegen eindeutig repräsentativen Charakter und sollten das jeweilige Publikum beeindrucken. Ein praktischer Nutzen dürfte sich aus ihnen eher weniger ergeben haben. Die Science Fiction knüpft hier in der Regel an Dichtung und Mythos an, da sowohl der klassische Roboter als auch der Androide als Helfer der Menschen gedacht sind, was auch auf Künstliche Intelligenz zutrifft. Bei den Cyborgs, für die ich kein konkretes antikes Pendant gefunden habe,[6] sind es dann ihre künstlichen Bestandteile, die die eigentliche Lebensform optimieren sollen und in manchen Fällen überhaupt erst deren Überleben gewährleisten. In der Science Fiction hat künstliches Leben meist also einen klaren Nutzen, wobei es kompliziert wird, wenn sich plötzlich die Frage nach der Menschlichkeit der künstlichen Helfer stellt, da dies schließlich die problematischen Themenfelder Sklaverei und Unterdrückung eröffnet. In der Antike hingegen dürfte es gerade mit den reichlich zur Verfügung stehenden Sklaven zusammengehangen haben, dass scheinbar kaum jemand auf die Idee gekommen ist, Maschinen zu erfinden, um körperliche Arbeit zu erleichtern, obwohl dies offenbar möglich gewesen wäre.

Wie wir gesehen haben, ist man in der Phantastik schon zu Beginn des 19. Jh. auf die Idee gekommen, künstliche „Frauen“ und diese begehrende Männer zu erfinden. Obwohl bereits in der „Ilias“ mechanische Wesen von weiblicher Gestalt erwähnt werden, ist mir keine Stelle in den antiken Quellen bekannt, in der diese Grundidee in einem romantischen oder erotischen Sinne ausgeschmückt würde. Stattdessen finden wir dies „nur“ in Bezug auf zwei unbelebte, dafür aber überirdisch schön anmutende Statuen, was vielleicht auch damit zusammenhängen mag, dass es in der griechisch-römischen Mythologie so viele potentielle Liebhaberinnen und Liebhaber für Menschen gab (Götter, Nymphen, Tiere etc.), dass man wie schon bei der Arbeitskraft auch diesbezüglich womöglich gar keinen Bedarf danach hatte, auf Maschinen zurückzugreifen.

Und wer nun Spaß am heute behandelten Thema gefunden hat, kann sich schon einmal auf den folgenden Film freuen, der demnächst erscheinen wird und dessen Titel nun auch niemanden mehr überraschen dürfte:

Automata

[1] Zwei Jahre später verlangt das einsame Monster aus Mary Shelleys „Frankenstein“ (1818) von seinem Schöpfer, ihm ein weibliches Pendant zu erschaffen, wozu es jedoch nicht kommt.

[2] In den oben genannten Fällen bezieht sich die von den künstlichen „Frauen“ ausgelöste Begierde zunächst auf männliche Charaktere innerhalb der phantastischen Werke. Besonders beim Medium Film soll aber natürlich besonders der männliche Zuschauer angesprochen werden, weshalb künstliche „Frauen“ in der Regel weit überdurchschnittlich attraktiv dargestellt werden, auch wenn sie innerhalb der Erzählung nicht zwingend als femme fatale o.ä. auftreten. So ist es wohl kein Zufall, dass „Star Trek Voyager“ (1995-2001) wieder mehr Zuschauerzuspruch erhielt, sobald sich die von den Borg gerettete Seven of Nine (Jeri Ryan) der Crew angeschlossen hatte. Selbst die von verschiedenen Schauspielerinnen verkörperte Borg-Queen wird gelegentlich ein wenig sexy dargestellt. Und dass eine weitere Zylonin aus „Battlestar Galactica“ von der sehr populären Xena-Darstellerin Lucy Lawless verkörpert wurde, dürfte den Einschaltquoten dieser Serie sicherlich ebenfalls nicht geschadet haben. Auch die sich in einem künstlichen Körper befindende Motoko Kusanagi wird in sämtlichen Versionen von „Ghost in the Shell“ als optisch sehr ansprechend dargestellt, zuletzt 2017 von Scarlett Johannson. Als Künstlische Intelligenz trat Monica Belluci in „Matrix Reloaded“ und „Matrix Revolutions“ (beide 2003) auf, wobei man wohl sagen darf, dass hier nicht zuletzt das Aussehen der Schauspielerin im Vordergrund gestanden haben dürfte. Würde man Frau-Alien-Mischungen einbeziehen, träfe auch hier zu, dass diese gerne betont attraktiv dargestellt werden, wie etwa Zef und Xef Bellringer (Eva Habermann, Xenia Seeberg) aus „Lexx – The Dark Zone“ (1997) oder Sil (Natasha Henstridge) aus „Species“ (1995) belegen. Nun muss man natürlich sagen, dass bei Filmen und Serien grundsätzlich vieles von der Attraktivität der Schauspielerinnen und Schauspieler abhängt, doch scheinen mir (teil-)künstliche Frauen fast ausnahmslos weit überdurchschnittlich attraktiv dargestellt zu sein, was vermutlich in einem Zusammenhang mit der grundsätzlichen Optimierung steht, mit der künstliches Leben verbunden ist.

[3] Es ist nicht ganz sicher, ob die Person, die wir als Homer kennen, wirklich gelebt hat. Womöglich stammen die Werke, die Homer zugerechnet werden, alle oder zum Teil von anderen Autoren. Aufgrund dieser Ungewissheiten spricht man gelegentlich allgemein vom Dichter der Ilias, wer auch immer es gewesen sein mag.

[4] Dan Simmons fügt diesen Umstand auf sehr schöne Weise in seine Romane „Ilium“ und „Olympos“ ein. Denn wenn die homerischen Helden dort mit Cyborgs konfrontiert werden, hält sich ihre Verwunderung in Grenzen, da sie ja wissen, dass der Gott Hephaistos diverse ähnliche Wesen geschaffen hat.

[5] Vgl. hierzu auch die entsprechenden Gedanken von Classicsgirl.

[6] In der antiken Mythologie gibt es stattdessen unzählige Mischwesen (Kentauren, Minotauros etc.). Erst durch Aufklärung, Industrialisierung usw. kamen allmählich Mensch-Maschinen-Mischwesen auf.

Literatur (insofern nicht bereits im Text verlinkt):

A. Schürmann: Automaten, in: DNP 2 (1997), 357-360.

9 Kommentare zu „Roboter und der Zauber künstlicher Frauen von der Antike bis heute

Gib deinen ab

  1. Sehr schöner Beitrag. Ich möchte auch auf die legendäre Comic-Serie „John Difool“ aufmerksam machen, die von Alejandro Jodorowsky und Moebius (Jean Giraud) geschaffen wurde. Große Kunst, wirklich. Die Science Fiction Serie ist voll mit geschichtlichen und mythologischen Anspielungen und Verweisen. Unter anderem gibt es natürlich die perfekte Frau, die dem Helden in Gestalt einer Androiden-Geisha begegnet.
    Müsste eigentlich mal verfilmt werden. Du wohnst doch in der Medienmetropole Köln. Nimm die Dinge bitte in die Hand.

    Gefällt 1 Person

    1. Vorsicht! Ich bin Aachener, nicht Kölner 😉

      Interessant! Kenne ich gar nicht. Muss ich sofort mal recherchieren. Danach kümmere ich mich um die Verfilmung 😉

      Dein Kommentar hat mich daran erinnert, noch Paul Gillons „Die Überlebende“ einzubauen. Ich habe bisher nur den ersten Teil gelesen, aber das ist mal wirklich heftig.

      Gefällt mir

  2. Hallo,
    ich hätte dir auch wieder mit Bildern zur Seite stehen können. Die Piloten von der Sechs-Millionen-Dollar-Mann und die Sieben-Millionen-Dollar-Frau habe ich tatsächlich beide auf Original VHS. Ein fast schon antikes Medium 😉
    Viele Grüße
    Ariane

    Gefällt 1 Person

  3. Als ich den Titel des Beitrags gelesen habe, schoss mir als erstes Ex Machina in den Kopf und wieder einmal hast du meine Erwartungen voll erfüllt und auch diesen fantastischen Film erwähnt 😉 Überhaupt besteht dieser Beitrag aus einem Sammelsurium vieler meiner Lieblingsfilme und ich habe jetzt Lust bekommen, mir einige davon wieder mal anzusehen! Und auch die mir noch unbekannten Werke die du erwähnt hast, werde ich mir wohl mal zu Gemüte führen 🙂
    Spannendes Thema wieder mal!

    Liebe Grüße, Kay.
    http://www.twistheadcats.com

    Gefällt 1 Person

  4. Es gibt auch ein umgekehrtes Beispiel im Film: „Ein Mann a la Carte“ von Susan Seidelman. 🙂 Sogenannte „Junggesellenmaschinen“ haben in der Science Fiction-Literatur eine lange Tradition. „Die Eva der Zukunft“ von Villier de L’isle Adam, 1886 geschrieben, ist das erste, will man die „Olimpia“(sich!) von E.T.A. Hofmann nicht dazu rechnen

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